Es ist leichter, die Menschen zu täuschen, als sie davon zu überzeugen dass sie getäuscht worden sind.

(Mark Twain zugeschrieben)

Guten Flug!

Unter dem Titel “Alles ist möglich” ist im Mai-Heft der Zeitschrift “Maxima” ein Artikel erschienen in dem steht dass eben wirklich alles möglich ist. Auch unmögliches, auch etwas das physikalischen Gesetzen widerspricht, und das sei wissenschaftlich erwiesen. Altes Wissen das jetzt wissenschaftlich erklärbar werde.

Wenn das wirklich so ist dann müsste man mit einem gewöhnlicher Besen fliegen können. Altes Wissen, eben.

Na ja, ihr wisst wahrscheinlich schon worauf ich hinaus will. Ein Artikel der Unwahrheiten unter Berufung auf angebliche Wissenschaft verbreitet kann nur von ... handeln.

Ist auch so. Und welche Chefredakteurin welcher Zeitschrift in der Geschichte vom toten Esel vorkommt dürfte jetzt auch jedem klar sein. Der Maxima-Artikel ist inzwischen online verfügbar, und zwar hier: Alles ist möglich". Wirklich lesenswert, skurriler als alles was ich bisher gesehen habe.

Ich habe die Chefredakteurin der Zeitschrift Maxima gefragt ob sie denn wisse was hier verbreitet wird (und aus diesem Anlass ist mir die Eselgeschichte eingefallen). Sie hat eingeräumt dass man in der Redaktion den Wahrheitsgehalt des Artikels nicht überprüft hatte. In einem sehr konstruktiven Gespräch waren wir uns schnell einig dass der Artikel zumindest ein paar offensichtliche schwerwiegende Fehler enthält und dass man so etwas nicht veröffentlichen dürfe, vor allem da hier Leute irregeführt werden die nicht den notwendigen wissenschaftlichen Background haben um den Wahrheitsgehalt der Behauptungen beurteilen zu können.

Im folgenden versuche ich das Bild zurecht zu rücken:


Alles ist möglich? Nicht in der Quantenwelt sondern nur auf Papier weil es so geduldig ist.

Am Anfang des Artikels erfahren wir dass der Mathematiker unendlich viele Welten jenseits der Materie kennt. Das stimmt. Mathematik wird für die Physik benötigt, ohne die Physik sagt Mathematik nichts über die Wirklichkeit aus. Wäre es anders, hätte man sich z.B. den Bau des LHC ersparen können denn die Existenz des Higgs-Bosons ist wohl mathematisch korrekt berechnet worden. (Echte) Quantenphysik ist exakte Wissenschaft und muss die Überprüfung der mathematisch (ebenso exakt) formulierten Aussagen im realen Experiment bestehen. Und da ist eben nicht alles möglich.

Verschränkung funktioniert tatsächlich, wie bekannt, ohne Zeitverzug über beliebige Distanzen. Ebenso ist bekannt dass es keine Übertragung von Information ohne Zeitverzug geben kann. Verschränkung ist tatsächlich nicht zur Übertragung von Information geeignet. Was hier über Verschränkung behauptet wird ist schlichtweg falsch.

Im Jargon der Quantenphysik gilt jede Begegnung eines Quantenobjekts mit einem "großen" Objekt als "Messung". Sowie eines der verschränkten Photonen (Elektronen,...) "gemessen" wird (also egal ob es auf einen Detektor oder z.B. auf eine Behälterwand oder ein Staubkorn trifft), ist zwar der momentane Zustand von allen miteinander verschränkten Teilchen bestimmt, aber durch die Messung bricht die Verschränkung sofort und unwiderruflich zusammen. Deswegen benötigt man aufwändige Experimente im Vakuum und bei extrem tiefen Temperaturen um die Verschränkung lange genug aufrecht zu erhalten. Dass alles mit allem durch Verschränkung verbunden wäre ist schon allein deshalb ausgeschlossen weil diese Verschränkung von allem mit allem (wenn es sie je gab) schon längst zusammengebrochen ist.

Wer einen Quantenphysiker nach dem Spinexperiment von Paul Davies fragt erntet Achselzucken. Auch Google gibt sich zugeknöpft. Über dieses Experiment gibt es keine wissenschaftliche Dokumentation. Es ist wahrscheinlich ein Messfehler oder überhaupt nur ein Missverständnis, aber auf jeden Fall ein hartnäckiger esoterischer Mythos.
(Sollte ich mich irren und jemand die Originalarbeit von Paul Davies kennen in der ein solches Experiment beschrieben wird, dann bitte um die Quellenangabe!)

Nicht besser steht es um das morphische Feld. Eine romantische Vorstellung, aber in keiner Weise wissenschaftlich belegt.

Den Vergleich mit dem Beamen im Raumschiff Enterprise finde ich gut: Dieses Beamen gibt es in Wirklichkeit ja nicht, und was in dem Artikel kühn behauptet wird gibt es auch nicht.

Die allmächtigen Geisteskräfte sollen nicht nur den Spin von Photonen lenken und Krankheiten heilen sondern auch einen freien Parkplatz beschaffen. Über Glücksfälle wie einen freien Parkplatz freut man sich natürlich und wüsste gerne was man anstellen soll damit es wieder geschieht. Aber die Psychologie weiß dass der Mensch oft Ursache-Wirkungs-Ketten zu erkennen glaubt wo es keine gibt (und darum werden in der echten Wissenschaft Doppelblindstudien gemacht). Ich streue mir lieber Salz über die linke Schulter und klopfe dreimal von unten gegen Holz, das ist ebenso abergläubisch und darüber werden wenigstens keine pseudowissenschaftlichen Artikel verfasst ;-)

Von dem Mathematiker, Numerologen, Handleser & Musiker Dr. B.Kutzler erfahren wir dass es ein physikalisches Gesetz gibt das besagt dass ein Tumor nicht heilbar ist. Dieses physikalische Gesetz gibt es natürlich nicht. Darüber dass jemand einfach solche Behauptungen verbreitet und das noch dazu als Wissenschaft bezeichnet kann man sich schon ärgern.

Andererseits habe ich auch herzlich gelacht, und Lachen ist bekanntlich die beste Heilung: Physikalische Gesetze sollen nur dann wirken wenn man davon "indoktriniert" ist. Das ist ja köstlich!! Wenn man diesen Gedanken konsequent weiterführt kommt man u.a. zu dem Schluss dass Hexen auf dem Besen fliegen können! Ich kann es nicht, ich bin leider vom physikalischen Gesetz der Schwerkraft "indoktriniert" ;-)

Gegen physikalische Gesetze hilft glücklicherweise, wie wir in dem Artikel erfahren, die Anwendung der Quanten-Physik. Physik gegen Physik, die nächste Lachnummer!

Ich habe nichts gegen Esoterik und Spiritualität, ich meditiere selbst. Ich bin kein Mediziner und kein Feind alternativer Heilmethoden. Was der sogenannte Placeboeffekt durch Suggestion und positives Denken bewirken kann ist faszinierend, und um einen solchen scheint es sich bei den im Artikel genannten Heilerfolgen zu handeln. (*)

Wenn die Quantenheilung das wäre was behauptet wird, dann spräche die Methode für sich selbst und hätte die pseudowissenschaftliche Irreführung der Kunden nicht notwendig.


Es bleibt noch anzumerken dass die Chefredakteurin zwar zugesagt hat, eine Richtigstellung abzudrucken, sich aber nicht an die Zusage gehalten hat.

PS: Die Geschichte geht weiter, siehe hier