Wir müssen nicht erst sterben, um ins Himmelreich zu kommen.
Tatsächlich genügt es, vollkommen lebendig zu sein.

(Thich Nhat Hanh)

Leben nach dem Tod?

Ich stelle mir die Zukunft vor. Einen Zeitpunkt nachdem ich gestorben bin. Ein Sarg, ein Begräbnis .... und ich irgendwo als unsichtbarer Beobachter.
Aber nein, mich gibt's nicht mehr, ich bin ja gestorben. Aber ohne den der es sich vorstellt kann ich es mir nicht vorstellen.

"Das kann ich mir nicht vorstellen" wird oft als Synonym für "das ist nicht wahr" verwendet. Nun, so wichtig nehme ich mich aber nicht. Was ich mir nicht vorstellen kann, kann trotzdem wahr sein. Dass ich mir ein nicht-weiterleben nicht vorstellen kann heißt noch lange nicht dass ich weiterlebe (eine ganze Menge von Verneinungen ... ich hoffe ich habe mich nicht verzählt). Das ist nur mein Ego das weiterleben will.

Alle Kulturen der Erde glauben an ein Weiterleben nach dem Tod. Sogar schon Neandertaler statteten Gräber mit Grabbeigaben aus. Der Buddhismus wird mit dem Glauben an Wiedergeburt in Verbindung gebracht. Ich kann damit nichts anfangen. Niemand erinnert sich an frühere Leben (*). Wenn sich das zukünftige Wesen, das ich einmal gewesen sein soll, nicht an mich und mein Leben erinnert, dann ist es völlig egal ob es meine Reinkarnation ist oder nicht.
Und wenn ich Mist baue, dann vermassel ich irgendeinem zukünftigen Lebewesen das Leben ... das kann es ja auch nicht sein.

Übrigens hat selbst Buddha die Idee eines Weiterlebens nach dem Tod abgelehnt, die Wiedergeburt ist eine vor- oder außerbuddhistische Vorstellung. Siehe Gibt es mich im nächsten Leben?.

Es ist praktisch, sich ein Weiterleben vorzustellen. Man kann die Todesangst umgehen. Auch für eine Gesellschaft ist es praktisch, einem potenziellen Übeltäter sagen zu können: "Es nützt dir nichts wenn wir dich nicht erwischen, denn im Jenseits wartet die gerechte Strafe auf dich".

Wer an ein Leben nach dem Tod glaubt will vorher alles richtig machen um nachher keinen Schaden davon zu tragen. Christen haben Angst davor, den Rest der Ewigkeit in der Hölle schmoren zu müssen. Aber ich denke mir: Woher kann ich wissen was ich tun muss?
Klar, die Bibel sagt es mir. Aber was ist wenn die Taliban Recht haben? Ich stelle mir die Überraschung vor wenn ein guter Christ nach dem Tod erfährt dass er zum Islam übertreten und sich mit möglichst vielen Christen hätte in die Luft sprengen sollen. Er ist jeden Sonntag in die Kirche gegangen, das war gut gemeint aber leider falsch. Natürlich glaube ich das nicht. Aber ausschließen kann ich es auch nicht.
Keine Sorge, ich werde nicht zum Selbstmord-Attentäter.

Natürlich kann jeder glauben was er will. In unserer heutigen rationalen Zeit hat das Glauben aber nicht mehr so einen hohen Stellenwert. Da gilt nur was man weiß. Was wissenschaftlich erwiesen ist. Und es wuchern die pseudo-wissenschaftlichen Erklärungsversuche für das was man gerne glauben möchte. Und weil sie so schön mystisch klingt, muss die Sprache der Quantenphysik dafür herhalten. Davor ist nicht einmal das Jenseits mehr sicher, siehe quantenphysiker-behaupten-es-gibt-ein-jenseits. Der Artikel beginnt gleich mit zwei Widersprüchen zur echten Quantenphysik und geht daher von völlig falschen Voraussetzungen aus (*). Aber das stört den nicht der es glauben will und eine "wissenschaftliche" Bestätigung braucht.

Schade dass wir nicht mehr die Größe haben zu sagen "Ich glaube".
Oder gar den Mut zu sagen "Ich weiß nicht". Eine Frage unbeantwortet zu lassen.

Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, das werde ich zur gegebenen Zeit feststellen.
Aber eines ist sicher: Es gibt ein Leben vor dem Tod. Leben wir es! Hier und jetzt!