(Mark Twain zugeschrieben)
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Zum Beitrag „Geheimnisse der Quantenphysik“ in der Sendung „Leporello“ vom 13.3.2020 im Sender "Österreich 1" des Österreichischen Rundfunks ORF
Es ist eine Kunst-Sendung. Ob die Ausführungen von Lotte Ingrisch Kunst sind, mag jeder für sich entscheiden. Hier wird aber behauptet dass es sich um Naturwissenschaft handelt. Der Kunst-Redaktion ist da etwas durchgerutscht, bei der Wissenschafts-Redaktion rückzufragen wurde offensichtlich verabsäumt.
"Die Quantenphysik ist total irrational. Wenn jemand die Quantenphysik versteht müsste er wahnsinnig sein. Also ich war so wahnsinnig und hab sie verstanden." |
Der erste Satz ist schon die erste Unwahrheit. Für mich ist die Quantenphysik sogar das Rationalste der Welt. Sie widerspricht dem "gesunden Menschenverstand" und damit unserer Alltags-Erfahrung. Gerade da Alltagserfahrung und Intuition hier versagen, ist Quntenphysik ausschließlich rational zu erfassen.
Quantenphysiker verstehen die Quantenphysik (eben rational) und sind nicht wahnsinnig.
Dass Lotte Ingrisch die Quantenphysik nicht versteht, wird in den folgenden Zeilen deutlich. Wenn sie sich selbst als wahnsinnig beschreibt, dann fällt es schwer, zu widersprechen.
Die Schriftstellerin Lotte Ingrisch ist bekanntlich Expertin für allerlei Irrationales und Unerklärliches. Daneben ist sie auch ernsthaft interessiert an seriöser wissenschaftlicher Forschung. Zu ihrer Freude vereinen die Erkenntnisse der Quantenphysik beides. Unsere Wirklichkeit besteht hauptsächlich aus Geist, die greifbare Materie ist nur eine Ausdrucksform des selben. So lautet simpel gesagt die von Nobelpreisträgern entwickelte spektakuläre These des 20. Jahrhunderts. Lotte Ingrisch erklärt es noch einmal: |
Von seriöser Wissenschaft ist Frau Ingrisch wahrscheinlich weiter entfernt als sie es sich vorstellen kann. Die Aussage, dass die Materie eine Ausdrucksform des Geistes sei, ist nicht so einfach auf den Punkt zu bringen wie es der Radiobeitrag suggeriert und kann leicht missverstanden werden - und dieses Missverständnis liegt der Esoterik zu Grunde die das Vokabular der Quantenphysik missbraucht.
"Wir bestehen aus Quanten und das ganze Universum besteht aus Quanten und ein Quant hat zwei Erscheinungsformen. Ein Quant kann als Teilchen erscheinen und kann als Welle erscheinen. Früher hamma dazu g‘sagt Leib und Seele. Eigentlich ma' kann's übersetzen." |
Es gibt keine (natur)wissenschaftliche Definition von Seele, wenn sie Welle mit Seele gleichsetzt dann geht diese Aussage ins Leere. Über Seele in naturwissenschaftlichem Kontext zu reden ist schon rein logisch betrachtet sinnlos.
Zusammen mit Helmut Rauch, dem langjährigen Vorstand des Instituts für experimentelle Kernphysik hat Lotte Ingrisch das soeben im Seifert Verlag erschienene Buch „Die Quantengöttin“ verfasst. |
Einer seiner Dissertanden und heute selbst Universitätsprofessor hat sich so dazu geäußert: "Ich kannte Helmut Rauch gut, er war mein Doktorvater und langjähriger Chef. Und ich war ziemlich überrascht, dass er auf seine alten Tage sich mit Frau Ingrisch aufs Buchschreiben eingelassen hat. Für mich war er der rationale, nüchterne Quanten-Experimentalphysiker, der eher einen materialistischen Zugang hatte."
"Wir wollten beweisen dass das Universum zwar materiell ist aber geistig auch. Wir wollten also eine Metaphysik, eine quantenphysikalische Metaphysik, entwickeln." |
Jetzt kommt es darauf an was man unter Geist versteht. Wenn man Geist mit Information gleichsetzt, dann ist die Feststellung dass das Universum "auch geistig" ist eine Trivialität und bedarf keines Beweises.
Vergangenen Herbst verstarb der Kernphysiker Helmut Rauch. Doch dem bereits begonnenen Projekt "die Quanten-Göttin" tat dies keinen Abbruch. Bereits das Vorgängerbuch von Rauch und Ingrisch "Der Quantengott - Dialog über eine Physik des Jenseits" war ein Erfolg. Der Dialog im neuen Werk stellt für Ingrisch, die über beste Kontakte ins Jenseits verfügt, keine Schwierigkeit dar. Hier ein Auszug: |
Dass Frau Ingrisch an Jenseitskontakte glaubt sei ihr unbenommen, dass sie ihre Meinung ausspricht ist natürlich ihr gutes Recht. Eine seriöse Berichterstattung muss aber darauf hinweisen dass es eben ihr Glaube und ihre Privatmeinung sind, die keinen objektiven Wahrheitsgehalt aufweisen.
"Die Quantenreligion erkennt die Einheit als Vielfalt, das ich ihm du, das sein im nichts. Wie der Quantengott ist sie ja auch eine Vision, eine mathematische Vision. Aber ihre Zahlen haben den Zauber des Märchens. Sie wurde geboren als Helmut Rauch starb, begleitet ihn jetzt auf seiner Reise ins überall und nirgendwo." |
Quantenreligion - Oh (quanten)Gott!
Die Erkenntnisse der Quantenphysik finden ihren Niederschlag in den kleinsten dingen ihres Alltags, sagt Lotte Ingrisch. Gutes benehmen gegenüber Objekten etwa ist für sie eine Selbstverständlichkeit.
Es gibt nichts Totes, das sagt auch die Quantenphysik, obwohl der Helmut Rauch hat immer g‘sagt tot ist der Grundzustand und dann gibt es Anregungen durch einen Lichtblitz oder Photonenblitz oder so, so wird man angeregt zum Leben. Für mich gibt es aber eigentlich nichts Totes, für mich ist alles lebendig und wenn ich einen Gegenstand zufällig a bissl hart angreife dann entschuldige mich bei ihm. |
"Angeregten Zustand" mit Leben verwechselt. Nichtgenügend in Physik und Nichtgenügend in Biologie!
Es fällt mir schwer zu glauben dass Helmut Rauch so etwas gesagt haben soll, ich denke dass Frau Ingrisch das komplett missverstanden oder eigenwillig uminterpretiert hat.
Wenn es so wäre dann würden Gegenstände durch Lichtblitze zum Leben erweckt werden - da sind wir bei der Frankenstein-Geschichte aber nicht bei Wissenschaft.
Dass sie sich bei einem Gegenstand entschuldigt ist freundlich von ihr und schadet niemandem. Unter gutem Benehmen gegenüber Menschen verstehe ich unter anderem, keine Unwahrheiten zu verbreiten. Das wäre viel wichtiger.
Im kommenden Sommer feiert Ingrisch ihren 90. Geburtstag. Mit ihrem 1996 verstorbenen Ehemann, dem Komponisten Gottfried von Einem, pflegt sie seit damals regen Austausch. Seit vielen Jahren setzt sich Ingrisch für selbstbestimmtes Sterben ein. Der Tod ist für sie eine rein materielle Angelegenheit.
"I mein' wir brauchen ein anderes Weltbild. Wir haben ein total falsches Weltbild und daher haben die Leute auch so Angst vor dem Tod und dem Sterben. Wenn sie glauben ich meine ich bin mein Körper - Naa, I bin nicht mein Körper. Mein Körper ist er ist das Gefährt, ist das Automobil mit dem ich doch die irdische Landschaft, die materielle, reise. Und wenn das automobil kaputt ist dann bleib ich doch nicht drinnen sitzen sondern steige aus und gehe oder fliege allein weiter." |
Was ist daran neu? Das entspricht dem Weltbild aller Religionen. Religion ist bekanntlich Glaubenssache, mit Naturwissenschaft hat das nichts zu tun.
Mit diesem schlecht recherchierten Beitrag der ausschließlich die Sichtweise von Frau Ingrisch wiedergibt und fälschlicherweise als objektive Tatsachen hinstellt hat der ORF seinem Bildungsauftrag klar widersprochen.
Dem möchte ich eine Buckkritik zum "Quantengott" gegenüberstellen die in einem seriösen (populär)wissenschaftlichen Medium zu finden ist:
https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-der-quantengott/1465071