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Ein Arbeitskollege hat mir von Tai Ji erzählt, ich habe ihm vom Reiten erzählt. Ich habe mich für Tai Ji interessiert, er hat sich für das Reiten interessiert. Also habe ich ihn probehalber aufs Pferd gesetzt, an der Longe. Im Schritt ist er schon tadellos gesessen. Also habe ich ihm das Leichttraben erklärt. Weil er es gleich so gut gemacht hat, haben wir es mit dem ausgesessenen Trab probiert. Er ist getrabt als hätte er es immer schon gemacht. Er hat gemeint dass ihm das leichter gefallen ist als das Leichttraben. Er hätte nur das Steißbein fallen gelassen.
Es war klar: Ich lerne Tai Ji
Die Familie Bai ist im Jahr 1980 aus China ausgewandert und hat 1983 in Wien die erste Tai Ji Schule Europas gegründet. Die Tochter Lin leitet heute die traditionsreiche Schule in der Neubaugasse.
Bai Lin betont dass es "Tai Ji" und nicht "Tai Chi" oder "Tai Qi" heißt, also wie "Tai Dschi" ausgesprochen und nicht wie "Tai Tschi". Das Wort (die Silbe, das Schriftzeichen) Chi oder Qi ist die Lebensenergie, ein ganz anderes anderes Wort als Ji.
Das sehen aber nicht alle so. Meister Zhang spricht von Tai Chi.
Tai vermittelt das Bild eines würdig schreitenden und sich seines Zentrums bewussten Menschen.
Ji ist der Dachbalken eines Gebäudes, und bildlich gesprochen das Absolute, das Höchste und Erhabenste.
Wir sagen Tai Ji aber eigentlich heißt es Tai Ji Chuan (oder Tai Ji Quan geschrieben). Chuan (ausgesprochen wie "Tschuan") ist die Faust, sie erinnert uns daran dass Tai Ji ursprünglich von der Kampfkunst kommt. Die weichen, fließenden Bewegungen lassen auf den ersten Blick nicht erkennen dass es von der Kampfkunst kommt.
Nach der chinesischen Philosophie des I Ging ("Buch der Wandlungen") gibt es zwei Formen von Qi, nämlich die beiden einander ergänzenden Energieformen Yin und Yang.
Yin wird, vereinfachend gesagt, mit weiblich assoziiert.
Yang wird, vereinfachend gesagt, mit männlich assoziiert.
Yin und Yang treffen wir bei Gegensatz-Paaren wie hell/dunkel, plus/minus, aktiv/passiv, öffnen/schließen usw.
Die Erde repräsentiert Yin, der Himmel Yang. Die Sonne Yang, der Mond Yin.
Jeder Mensch hat beide Anteile in sich und diese müssen im Gleichgewicht sein damit der Mensch gesund und zufrieden leben kann. Tai Ji hilft dieses Gleichgewicht zu erhalten und sorgt so für unsere Gesundheit.
Ich praktiziere täglich Tai Ji, es ist mir so selbstverständlich wie das morgendliche rasieren und zähneputzen geworden. Ich habe es in der Tai Ji Schule Bai gelernt. Ich bin bisher nur bis zu den 24 Formen gekommen. Es gibt 48, 88 und 108 Formen, Schwert- und Fächerformen. Außerdem wird in der Tai Ji Schule Qi Gong wie z.B. die 8 Schätze gelehrt und praktiziert.
Bai Lin hat eine Kurzform entwickelt, das kleine Tai Ji.
Die Formen sind ein genau definierter Ablauf von Bewegungen, wobei Yin- und Yang-Bewegungen einander abwechseln und so das Pulsieren der Lebensenergie fördern. Auch der Atem passt sich an den Wechsel von Yin und Yang an und unterstützt dieses Pulsieren. Die Bewegungen sind langsam und harmonisch, weich und fließend wie im Wasser. Der Blick geht in die Ferne. Die Knie sind immer leicht gebeugt, der Körperschwerpunkt liegt tief und das Gewicht wird ständig auf das eine und auf das andere Bein verlagert, wie bei einem Kämpfer der den Angriffen seines Gegners ausweicht. Gelenke werden nie ganz durchgestreckt und nie ganz gebeugt, immer bereit einen imaginären Schlag abzufedern. Und damit die Energie fließen kann. Der Blick führt die Bewegung, der Schwung kommt aus der Wirbelsäule.
Ebenso wichtig wie das korrekte Ausführen der Bewegungen ist das Spüren der Lebensenergie. Sie zeigt sich daran dass die Handflächen rot werden und sich die Fingerkuppen seidig anfühlen (das Qi Häutchen).
Hier noch ein Video das ich im Internet gefunden habe: