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Überlagerung und Verschränkung

Quantenmechanik ist für uns ungewohnt. Es gibt viele Laien-taugliche Erklärungen (eines Teils) dessen was bei komplizierten Messungen und Berechnungen herauskommt. Das hier ist eine davon, vom Laien für Laien.

Ich habe einen Quantenphysiker gebeten, über meinen Text drüber zu schauen damit ich keinen Blödsinn verzapfe. Sein Urteil, das ich euch natürlich nicht vorenthalten will: "Witzig geschrieben und in vielen Punkten auch richtig, in vieler Hinsicht ist es mir aber zu unscharf. " Wer mit der unscharfen Variante leben kann, möge weiterlesen. Wer mehr Text lesen will findet die (hoffentlich) verbesserte Fassung hier. Für Fragen, Kritiken und Korrekturen bin ich jederzeit dankbar, bitte das Kontaktformular zu verwenden.

Alles ist Information?

Wir benutzen einen Lichtschalter unter anderem als Informationsspeicher. Ich gehe hin, schalte das Licht ein und es bleibt eingeschaltet. Die Information "Licht eingeschaltet" ist gespeichert. Solange es noch mechanische Lichtschalter gibt ist da drin eine Feder die einen Kontakt auf den anderen drückt ("ein") oder von ihm weg ("aus"). Aberwitzig viele Atome im Schalter speichern jeweils ein bisschen Information. Im Schalter ist noch viel mehr Information gespeichert, seine genaue Form, Farbe, Größe, usw. Die Informationsmenge die ihn bis ins letzte Detail beschreibt erscheint unerschöpflich. Ich könnte eine Telefonnummer in seine Oberfläche ritzen und wenn ich es geschickt anstelle könnte eine ganze Enzyklopädie in seinem Material unterbringen. Andersrum, die Information die in dem Schalter steckt würde eine Enzyklopädie füllen auch wenn uns nur ein Bit interessiert, nämlich Licht ein oder Licht aus.

Wenn wir an "Teilchen" denken dann stellen wir uns sehr, sehr, sehr kleine Kügelchen vor, also ich zumindest.

Auch ein sehr, sehr, sehr kleines Kügelchen das wir uns vorstellen können hätte immer noch viel Information gespeichert, auf jeden Fall genug um festzulegen wo es ist und wie schnell es sich bewegt. Auch genug um festzulegen dass es dieses Kügelchen ist und nicht ein anderes das irgendwo anders herum saust. Das Kügelchen hat sozusagen statt der Enzyklopädie nur einen Zettel in der Hand auf dem drauf steht wer es ist, wo es ist, wie schnell es ist usw.

Auch ein einzelnes Elektron oder Photon hat einen Zettel in der Hand. Allerdings ist der Zettel zu klein, es passt nicht alles drauf was man wissen müsste um seinen Zustand zu beschreiben. Und was auf dem Zettel nicht steht, das steht nirgends.

Wissenschaftler sind ja so gescheit, sie haben sündhaft teure Geräte mit denen man alles messen kann, die können doch messen wo das Elektron ist, in welche Richtung es sich dreht usw. Dazu kommen wir gleich.

Ich selbst bestehe zu einem guten Teil aus Elektronen und die anderen Winzlinge wie Protonen und Neutronen werden sich wahrscheinlich ähnlich unbestimmt verhalten. Warum ist da nicht formlos herumwabernde "Quantensuppe" statt meines Körpers? Wenn Teilchen zu wenig Information haben um ihren eigenen Zustand zu definieren, warum hat dann der Lichtschalter genug Information, der besteht doch auch nur aus solchen dummen Teilchen?

Wenn sich mehrere Teilchen zusammentun und ein Klümpchen Materie bilden dann geben sie Freiheiten auf (das haben Bindungen so an sich). Ein Elektron in einem Atom kann nicht beliebige Energie haben sondern nur bestimmte Energiebänder besetzen und auch das nur wenn sie noch nicht besetzt sind. Wenn weniger Möglichkeiten existieren dann genügt auch weniger Information um zu sagen welche davon zutrifft. Die Zahl der Zustände die gespeichert werden können geht außerdem nicht linear mit der Speichergröße. Eine Ziffer kann einen von 10 möglichen Werten speichern, bei drei zusammengehörenden Ziffern sind es aber nicht 30 sondern 1000 (aber das ist natürlich wieder nur ein Vergleich). Es steht also genug Speicher zur Verfügung um den Zustand jedes Teilchens festzulegen. Materie die wir gewohnt sind verhält sich daher so wie wir es gewohnt sind. Welch Überraschung!

Für normale Dinge sagt die Quantenphysik also normale Dinge aus.
Aussagen wie "Die Quantenphysik sagt aus dass alles unbestimmt ist", oder "die Quantenphysik sagt aus dass alles mit allem verbunden ist" stimmen zwar, aber nicht für Menschen, Fußbälle oder Bakterien sondern für einzelne Elektronen und Photonen.

Wie war das vorhin mit der Messung? Ich will die Außentemperatur messen. Es gibt diesen Wert, egal ob ich ihn weiß oder nicht. Ich lege mein Thermometer auf das Fensterbrett, warte ein wenig und lese die Temperatur ab. Dass mein Thermometer ein bisschen Wärme an die Umgebung abgegeben oder von ihr aufgenommen hat fällt nicht ins Gewicht. Wenn ich mit dem gleichen Thermometer die Temperatur eines Wassertropfens gemessen hätte dann hätte ich den Messwert zwar verfälscht aber grundsätzlich hat es den Temperaturwert auch vor der Messung gegeben und ich könnte sogar auf den unverfälschten Wert zurückrechnen.

Jetzt schwirrt also unser einzelnes Elektron oder Photon herum und weiß nicht wer es ist und wo es ist. Denken wir uns das ganze befinde sich in der Apparatur von Schrödingers (gedachtem) Katzen-Experiment. Das radioaktive Atom kann zerfallen sein oder auch nicht, das Photon kann ausgesendet worden sein oder auch nicht, beide Zustände sind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich oder sogar gleichzeitig vorhanden. Man spricht von der Überlagerung beider Zustände. Es ist nicht so dass nur wir nicht wüssten welcher der beiden Zustände eingetreten ist, sondern diese Information gibt es nicht.

Das kannst du dir vorstellen? Ich auch nicht. Ist aber so. Wenn ich genug Zeit, Geld und Gehirnschmalz investiere dann könnte ich es nachmessen und nachrechnen oder die Messungen und Berechnungen nachvollziehen die andere gemacht haben.

Jetzt trifft das Teilchen auf ein Messgerät. Messgeräte bestehen aus einer vergleichsweise riesigen Anzahl von Teilchen die miteinander in Verbindung stehen und daher ihren Zustand definiert haben. Ich hätte auch sagen können das Messgerät besteht aus Materie wie wir sie gewohnt sind. Unser Teilchen wird in diesen großen Verband anderer Teilchen aufgenommen. Jetzt steht genug Speicher zur Verfügung um auch seinen bisher unbestimmten Zustand zu definieren. Das passiert übrigens in Schrödinger's gedachtem Katzenexperiment auch dann wenn die Katze Glück hat und das Photon nicht den Detektor sondern die Wand des Kastens trifft. Auch Kasten-Wände sind "groß", bestehen also aus vielen Teilchen. Welchen Zustand bekommt es? Einen zufälligen. (Zwar wirklich zufällig aber mit einer berechenbaren Wahrscheinlichkeit.)

Das passiert auch wenn ein Photon jahrtausendelang durch das Weltall zu uns gereist ist. Ist es links oder rechts an einer Galaxie (Gravitationslinse) vorbei gelaufen? Das wird erst hinterher festgelegt wenn seine Reise zu Ende ist und es auf der Erde auftrifft. Klingt verrückt und ist verrückt. Zumindest für unsereinen der nicht Quantenphysiker ist.

Die Überlagerung ist zusammengebrochen sowie das Photon auf einen Gegenstand aufgetroffen ist, sei es ein Detektor oder irgend ein anderer Gegenstand. Im Katzen-Experiment ist die Katze tot oder lebendig, nicht beides gleichzeitig, und zwar egal ob jemand den Kasten aufmacht oder nicht.

Ich versuche mir die Stimmung vorzustellen als die Begründer der Quantenphysik nächtelang vor ihren Apparaturen und Gleichungen saßen und die Welt nicht mehr verstanden. Einstein soll gesagt haben: "Die Welt kann doch nicht so verrückt sein". Heute wissen wir: Die Welt ist so verrückt. Bei aller Verrücktheit hat die Welt aber einen Wesenszug behalten: Alles was ich wahrnehmen kann, auch das kleinste Kügelchen das ich mir vorstellen kann, verhält sich nicht verrückt.

Die Verrücktheit geht aber noch weiter. Mehrere Photonen sind gemeinsam entstanden und reisen durch den Raum. Jetzt ist es nicht so dass jedes einen Zettel hätte auf dem zumindest ein bisschen etwas über seine Lebensgeschichte steht. Sie haben gemeinsam einen Zettel und teilen sich ihre wenige Information. Über beliebige Distanzen hinweg. Das ist Verschränkung. Sie sind verschränkt bis die Messung sie scheidet.

Einer der Partner donnert mit Lichtgeschwindigkeit in einen Haufen Materie. Die dortigen Teilchen bringen kein Verständnis für die Unwissenheit des Neuankömmlings auf und überhäufen ihn mit Fragen. Wie bist du polarisiert, können wir dich durchlassen, wir sind nämlich ein Polarisationsfilter! Hast du genug Energie um mein Elektron in ein höheres Energieband zu heben? Im Jargon der Quantenphysik sagen wir dass eine Messung stattfindet. Das Photon gibt seine Unwissenheit nicht zu sondern erfindet spontan irgendwelche zufälligen Antworten. (Zwar wirklich zufällig aber mit  berechenbaren Wahrscheinlichkeiten.)

Die anderen Teilchen haben dadurch ebenfalls ihren Zustand festgelegt. Sofort. Über Lichtjahre hinweg, wenn's sein muss. Wenn sie gefragt werden brauchen sie keine Antworten mehr zu erfinden, sie haben sie schon. Mit der Verschränkung ist es ab jetzt vorbei. Was auch immer einem Photon ab jetzt passiert, die anderen sind davon nicht mehr betroffen (darum ist Verschränkung nur mit großem apparativem Aufwand aufrecht zu erhalten).

Was ist der Unterschied zwischen einer Antwort die gerade zufällig entstanden ist und einer die schon vorher festgelegt war? Keiner. Wie kann ich erkennen ob meine Messung den Zustand des Teilchens festgelegt hat oder ob einer der verschränkten Partner vorher gemessen wurde? Gar nicht. Wie kann ich bei der Messung festlegen dass ein bestimmter Zustand eintreten soll? Gar nicht. Wie kann ich die Verschränkung ausnutzen um Information dorthin zu übertragen wo ein anderes der verschränkten Teilchen gemessen wird? Gar nicht. Deshalb ist das Quantenfunkgerät oder die Quantenfernsteuerung nicht erfunden worden, so etwas gibt es nicht. Wenn es so etwas gäbe dann wäre es eine wissenschaftliche Sensation denn das würde die Gültigkeit der Relativitätstheorie zumindest einschränken. Das ist nicht geschehen.

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